
MANUALTHERAPIE FÜR PFERDE
Trainingstherapie
Die Trainingstherapie beim Pferd ist ein hochspannender und anspruchsvoller Ansatz in der sportmedizinischen und osteopathischen Betreuung von Sport- und Freizeitpferden. Im Rahmen der Befundung (Exterieurbeurteilung, Gangbildanalyse, osteopathischer Anamnese, Kontrolle des Equipments und der Reitweise) stellt der Therapeut oder die Therapeutin häufig Trainingsdefizite oder Kompensationshaltungen fest, die durch verbrauchendes Training, nicht ausbalancierter Reitweise, unpassendem Hufbeschlag oder auch fehlerhaftem Equipment entstanden sein können.​
Beispielsweise konsultiert ein Pferdehalter seinen Therapeuten, weil sein Pferd plötzlich vermehrt mit den Vorderbeinen stolpert. Er hat die Vorstellung, dass am Vorderbein z.B. das Karpalgelenk blockiert sei.
In der Befundung zeigt das Pferd aber eine Vorbiegkeit im Karpalgelenk, (d.h. das Karpalgelenk wird im Stand nicht mehr durchgestreckt und ist mehr oder weniger stark gebeugt). Dies kann ein deutlicher Hinweis auf eine Überlastung der palmaren Strukturen, (z. B. Beugesehnen, Fesselträger, Gleichbeine, Fesselgelenk oder auch die Komponenten der Hufrolle) sein. Das Pferd nimmt durch die Beugehaltung im Karpalgelenk eine Entlastungshaltung ein, um seine palmaren Strukturen zu schonen. Diese Beugehaltung im Karpalgelenk muss muskulär gehalten werden.
Wird das Pferd dann zusätzlich bewegt, ist die Muskulatur schneller erschöpft und das Pferd beginnt zu stolpern. Für den Pferdehalter sind solche Kompensationshaltungen (z.B. starkes Stampfen im Trab) schwer zuzuordnen, da sie zunächst zu keiner Leistungseinbuße führen.​

Vorbiegigkeit im Karpalgelenk ist immer ein Alarmzeichen
einer Überlastung von Sehnen und Bändern

Training des Rumpftrageapparates im Trab in der Dehnungshaltung
Übersieht man jedoch diese Frühwarnsysteme für Entlastungshaltungen oder insuffiziente / verbrauchende Bewegungsmuster, können daraus langfristig orthopädische Schäden resultieren, wie Beugesehnen- oder auch Fesselträgerschäden. Genau dies ist die Domäne der Trainingstherapie. Bei einer gestörten, aber noch nicht zerstörten Funktion kann die Trainingstherapie heilen, während eine Behandlung nur kurzfristige Linderung bringt. Die Ursache muss erkannt und abgestellt werden.
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Nur das korrekte und individuell auf das betreffende Pferd abgestellte Trainingsprogramm, das stets überprüft und angepasst werden muss, kann die Gesundheit des Tieres wiederherstellen, erhalten und verbessern. Im Unterschied zu einem schematischen Therapieplan, den der Pferdehalter beispielsweise nach einer OP nach Entlassung aus der Klinik mit nach Hause nimmt, ist die Trainingstherapie komplexer und bedarf großer Sachkenntnis und Ausdauer seitens Besitzer:in und Behandler:in.
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Neben der selbstverständlichen Überprüfung des Equipments (das Pferd hat abgenommen, der Sattel braucht eine Korrektur usw.) müssen alle Störfaktoren aus der Ausrüstung und Haltung eliminiert werden. Niemals sollte der Reiter:in bei Problemen mit dem Tier reflektorisch auf Ungehorsam schließen. Meist ist die Ursache eine Frage des Könnens.